Montag, 21. März 2016

Erinnerungen an eine Entführung



Um gleich vorweg eine wichtige Information nicht vorzuenthalten: meine Frau und ich sind wohlbehalten und gesund heimgekehrt.Passiert ist „das Ganze“ auch schon vor einigen Wochen. Doch wollte ich das erlebte erstmal ein bisschen verarbeiten, bevor ich es hier „loswerde“.

Für 2016 hatte ich ein Abenteuer geplant. Ich wollte nach Südafrika in die Plettenberg Bay. Dort befindet sich eine Auffangstation für Elefanten, wo ich einen Monat lang arbeiten wollte. Dieses Vorhaben wurde zwar umdisponiert, doch Abenteuer hatte ich trotzdem.

Meine Frau und ich sind sehr reiselustig. Dehslab haben wir schon einiges erlebt. Alaska, Mexiko, Ägypten, Indien, Sri Lanka und die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Auf unseren Reisen wurden wir oftmals entführt; entführt in eine andere Welt. Bereits bei der Planung hatten wir immer eine ungefähre Vorstellung was uns erwartet und nachdem wir Land, Leute und das dortige Leben kennen lernen wollen, habe wir uns auf diese Erfahrung eingelassen. Doch das wir knapp 270 Kilometer von zu Hause entfernt eintauchen werden in eine andere Welt, das hätten wir nicht für möglich gehalten.

Was war geschehen? Was war für diese Erfahrung verantwortlich?

Südafrika habe ich sausen lassen. Stattdessen waren wir eine Woche als Volunteers bei den  Special Olympics Pre-Games in Schladming. Im Nachhinein betrachtet bin ich froh, dass ich mich dazu überreden hab lassen. Es war ein wunderbares Erlebnis mit lang anhaltender Wirkung.

Was wir dort an Herzlichkeit, Emotionen, Offenheit und Ehrlichkeit erleben durften, war einfach umwerfend. Es fällt mir heute noch schwer die richtigen Worte für das erlebte zu finden. Glaube es gibt gar nicht die richtigen Worte um diese Eindrücke richtig wiedergeben zu können.

Ich hatte das Glück als Communicator im Presseteam eingesetzt zu werden. Dadurch konnte ich sehr viel mit Betreuer, Athleten, anderen Volunteers und Zuschauern sprechen. Mein Einsatzort war in Ramsau, wo die Langlaufbewerbe und die Schneeschuhläufe stattfanden. 

Es war interessant zu erfahren, wie sich die Sportler auf die Pre-Games vorbereitet haben. Zu sehen mit welchem Eifer und welcher Begeisterung sie an den Start gingen und mit welcher Freude und welchen Emotionen, sie ihren Zieleinlauf zelebriert haben. Es waren sowohl Wettbewerbs erfahrene Teilnehmer, als auch Athleten die ihre ersten Wettkampferfahrungen machten, dabei. Klar waren manche enttäuscht, wenn sie nicht als Erster die Ziellinie passiert haben, doch habe ich nie den Funken des „nicht Vergönnens“ gespürt.

So viel an Fairness, an Freude; Freude einfach dabei sein zu können und zeigen zu dürfen, was in einem steckt. Beneidenswert! Eine Offenheit und Aufgeschlossenheit, der man heute eher selten begegnet. 

Ja, ich habe auch „belauscht“ wie sich die einen oder anderen Athleten über ihre Siegerstrategie unterhalten haben. Doch es gab auch eine Kommunikation zwischen den Sportlern verschiedener Teams, zwischen Betreuern verschiedener Teams, Zuschauer mit Betreuern, Zuschauer mit Zuschauer ….. einfach eine gute und offene Kommunikation. 

Auch die Geduld wurde unter Beweis gestellt. Beispielsweise bei einem Langlaufbewerb, wo bereits alle Teilnehmer am Start standen und ein Starter Probleme mit seiner Bindung hatte. Da gab es kein Raunen, keine ungeduldig fordernde Blicke „jetzt werde endlich fertig“, kein ungeduldiges Zappeln, keine Seufzen. Alle haben ruhig und entspannt gewartet, bis der Startschuss fiel. 

In diesem Moment fiel mir mein letzter Einkauf im Supermarkt ein, wo ich zur Freude der hinter mir wartenden Menschen versucht habe bei der Kassiererin mein Münzgeld loszuwerden. Unnötig zu erwähnen was sich hinter mir formiert hatte. 

Emotional war diese Woche in Schladming: Ausnahmezustand. So viele emotionale Eindrücke und Erlebnisse. 

Doch nicht nur an den Sportstätten war dieser Spirit zu verspüren. Es war als läge ganz Schladming unter einem Bann. Auch wenn man abends durch die Stadt zog. In einem der Lokale den Tag ausklingen hat lassen. Eine entspannte und harmonische Atmosphäre, wie man sie in unserer heutigen, hektischen Welt, leider nur selten findet. 

Eine Teilnehmerin hat es auf den Punkt gebracht. Als ich mich mit ihr unterhalten habe hat sie gesagt: „Das Wichtigste ist, dass die Laute zusammen halten. Wir sind eine große Familie.“

Trotz meines fortgeschrittenen Alters und meiner – ohne übertreiben zu wollen – doch reichlichen Erfahrung, habe ich in dieser Woche einiges gelernt. Auch in seiner unmittelbaren Umgebung, in seinem gewohnten Umfeld, kann man auf Abenteuerreise gehen. Man muss es nur zulassen. Seine Bedenken beiseiteschieben, die Grenzen – welche man sich oftmals selbst auferlegt oder aufdrängen lässt – einfach überschreiten und es wagen, sich auf ein Erlebnis einzulassen. Auch wenn es vielleicht nicht den Vorstellungen des Mainstreams entspricht.

Jedem, der einmal für eine Zeit abtauchen möchte in eine andere Welt, der etwas erleben möchte, was vielen verschlossen bleibt, dem kann ich empfehlen: meldet euch als Volunteer bei den Special Olympics. 

2016 waren die Pre-Games. Nächste Jahr geht’s dann so richtig los. Da finden im März die Special Olympics World Winter Games Austria 2017 statt. 

Ich bin ganz sicher wieder dabei. Denn eine Wiederholung dieses Erlebnisses lass ich mir nicht entgehen.

Liebe Grüße und vielleicht sieht man sich ja in Schladming ;-)

HPH

1 Kommentar:

  1. Hola HPH,

    es mag sich zwar jetzt doof anhören aber ich kann dich sehr gut verstehen und mir ist richtig warm ums Herz geworden. Einmal weil man aus deinen Worten die Begeisterung und auch die Wärme spüren kann und dazu habe ich sozusagen auch meine Erfahrung mit behinderten Menschen gemacht. Schon in der Kindheit Freunde gehabt die leider durch Contergan gezeichnet waren, später dann durch Hilfe in Werkstätten und danach noch durch das unmittelbare "Zusammenleben" auf einem Hof mit meinen Exschwagern die Beide behindert sind (Zwillinge).

    Es ist wirklich so schön zu sehen wie die Menschen miteinander umgehen, wieviel Freude sie ausstrahlen und vor allem wie sie sich freuen wenn sie merken dass sie als MENSCH angesehen werden und nicht als Behinderte. Sie können soviel geben, und das ist dann auch immer ehrlich gemeint.

    Ganz toll dass du die Erfahrung machen konntest und auch wie du sie nun weitergibst. Danke dir für den schönen Post.

    Liebe Grüsse

    N☼va

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